Team Gerätturnen

„Ich fühle mich nicht wie 17.“

19.07.2019 14:21

Emelie Petz im Porträt.

Emelie Petz | Bildquelle: picture alliance
Emelie Petz | Bildquelle: picture alliance

Emelie Petz wusste schon sehr früh ganz genau, was sie will. Als die heute 17-Jährige zum ersten Mal in der Halle der TSG Backnang stand, als Vorschulkind und Wirbelwind, der schon mit drei Jahren im elterlichen Wohnzimmer Räder und andere Überschläge ausprobierte, da fragte sie gleich mal an, ob „man mich hier zur Weltmeisterin machen kann“. Der Ehrgeiz und die Zielstrebigkeit sind der Schülerin bis heute erhalten geblieben. Nur einmal, das war noch in der Grundschule, da hatte sie sich ernsthaft darüber Gedanken gemacht, ob sie diesen harten Weg weiterverfolgen sollte. Um dann zu entscheiden, dass er doch das Richtige für sie war.

Als fünffache Deutsche Jugendmeisterin in die Nationalmannschaft

Die Erfolge, die sie bisher erlangte, bestätigen Petz darin. In ihren beiden letzten Juniorinnenjahren sammelte die Turnerin aus dem baden-württembergischen Allmersbach im Tal bei den deutschen Meisterschaften ihrer Altersklasse sämtliche Titel ein. Auch davor musste sie jeweils nur an einem Gerät den Sieg einer anderen überlassen. Schon lange galt das technisch versierte Bewegungstalent somit als Anwärterin darauf, als erste Vertreterin einer neuen Generation den Sprung in die Nationalmannschaft der Frauen zu schaffen. Dass ihr dies gleich im ersten Jahr gelingen und sie den Deutschen Turner-Bund (DTB) schon bei den Europameisterschaften im April 2019 in Stettin vertreten würde, damit hatte sie trotzdem nicht unbedingt gerechnet.

Zielstrebig trotz Rückschlägen

Denn ein halbes Jahr zuvor hatte Petz sich erstmals einer Operation unterziehen und den damit verbundenen Trainingsrückstand wieder aufholen müssen. Seit Januar 2018 quälten die Sportlerin auf der linken Seite Fußprobleme. Bei den nationalen Titelkämpfen in Unterhaching sowie den Juniorinnen-Europameisterschaften im August in Glasgow trat sie dennoch an und belegte in Schottland im Mehrkampf den zwölften Platz. Doch danach folgte sie dem medizinischen Rat, das zusätzliche Knochenstück, das ihr die Schmerzen bereitete, entfernen zu lassen. Dafür verzichtete die aufstrebende Bewegungskünstlerin schweren Herzens auf den Start bei den Olympischen Jugendspielen in Buenos Aires. „Im Nachhinein war es meine beste Entscheidung“, sagt sie. Denn seitdem macht das Springen wieder mehr Spaß, und sie kann darauf hoffen, sich am Boden bald wieder so stark zu präsentieren, wie sie das selbst von sich erwartet. An dem Gerät, das aus ihrer Sicht „Eleganz, Power und Sprungkraft“ in einzigartiger Weise verbindet, hatte sie bei ihrem ersten großen internationalen Einsatz, dem Europäischen Jugendfestival (EYOF) 2017 in Györ, Silber geholt. Ein Außenbandanriss im Juni warf sie allerdings gerade noch einmal zurück.

Trainieren mit den Vorbildern

Dafür konnte Petz auf internationaler Bühne schon mal am Stufenbarren auf sich aufmerksam machen. Nach ihrem Debüt im Turn-Team der Aktiven während des DTB-Pokals in Stuttgart präsentierte sie bei der EM in Polen erstmals bei einem großen Titelkampf ein von ihr selbst kreiertes, neues Element: einen gehockten Salto mit ganzer Schraube aus einem Stalderumschwung als Abgang.

Das ganz besonders gute Gefühl für die Schwünge und Flüge an den beiden Holmen verbindet Petz mit ihren älteren Trainingskolleginnen Kim Bui und Elisabeth Seitz. Doch die Jüngere schaut sich von den Erfahreneren noch mehr ab. „Sie geben mir Tipps, wie ich mein Zeug am besten abliefere, und stärken mir den Rücken.“ Zudem sei es „faszinierend“, an der Seite derjenigen zu turnen, die seit langer Zeit Vorbilder sind.

Das 'Küken' zu sein, ist für Petz nichts Ungewöhnliches. „Ich war immer ein Jahr zu jung“, stand in ihrer Riege stets neben Älteren. Auch als sie vor etwa zehn Jahren nach Stuttgart gewechselt war. Für die dort angesetzte Sichtung war sie vom Jahrgang her noch nicht vorgesehen, sollte aber trotzdem mal mitfahren. Marie-Luise ‚Guti‘ Probst-Hindermann erkannte ihr Ausnahmetalent und nahm sie vorzeitig unter ihre Fittiche. Das Dasein als Dauer-Nesthäkchen, davon ist Petz überzeugt, hat sie geprägt. „Ich fühle mich nicht wie 17“, sagt sie. Robert Mai, bei dem sie ebenfalls trainiert, bestätigt, dass sie sehr strukturiert sei und man mit ihr wie mit einer Erwachsenen umgehen kann.

Auch ihre Zukunft außerhalb der Halle plant Petz mit Weitsicht. Vor ein paar Monaten hat sie ihren Realschulabschluss unter Dach und Fach gebracht, um sich im nächsten Jahr auf die angestrebte Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio konzentrieren zu können. Zwar will sie ihre Lernlaufbahn ab September in einem Wirtschaftsgymnasium fortsetzen und dort das Abitur ablegen. Doch der Sport soll erst einmal Vorrang haben. Schließlich weiß Emelie Petz genau, wohin sie in diesem noch will: immer weiter nach oben.